Fachtechnische Stellungnahme zur Entscheidung des Bayerischen VGH zu
Geräuschkontingenten nach der DIN 45691 wegen fehlender Rechtsgrundlage der Festsetzung
bei geräuschemittierenden Nutzungen in mehreren Etagen eines Gebäudes.
Bayerischer VGH, Urteil vom 28.07.2016 - 1 N 13.2678
Anmerkung von Johann Storr und Thomas Pehl
Abdruck in der I+E
- Zeitschrift für Immissionsschutzrecht und Emissionshandel
03/2017
Aus dem Bebauungsplanverfahren kann entnommen werden, dass
sich hier in Gebäuden in den verschiedenen Etagen verschiedene Betriebe ansiedeln werden.
Aus dieser Tatsache folgerte wohl der Senat, dass dann auch für jede Etage ein
Geräuschkontingent hätte vergeben werden sollen.
Eine Festsetzung von Geräuschemissionskontingenten (in der DIN 45691-2006-12 als
Geräuschkontingent definiert, auch oft als Lärmkontingent bezeichnet) als
Weiterentwicklung der immissionswirksamen flächenbezogenen
Schallleistungspegel kann nach §1 Abs. 4 Nr. 2 erfolgen. Dabei erfolgt eine Gliederung
eines Bebauungsplanes, bzw. nach §1 Abs. 4 Nr. 2, 2. Satz im Verhältnis zu anderen
Gewerbe- oder Industriegebieten nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen
Bedürfnissen und Eigenschaften. Dies wird vom VGH in dem Urteil so auch bestätigt (siehe
auch BVerwG, Beschluss vom 02.10.2013 - 4 BN 1013).
Eine Differenzierung der Emissionskontingente nach Etagen ist weder erforderlich
noch zielführend, da die Sicherstellung der Intention der Emissionskontingentierung, die
Einhaltung der in der TA Lärm vorgegebenen Immissionsrichtwerte, im Rahmen der
nachfolgenden Genehmigungsverfahren sichergestellt wird.
Der Idealfall von einem Plangebiet mit mehreren Flächen mit
unterschiedlichen Emissionskontingenten, die je von ausschließlich einem Betrieb genutzt
werden, ist in der Praxis nicht immer vorzufinden. Oft befinden sich in einem Gewerbepark
mehrere Betriebe, die sich Parkplätz, Energieerzeugungsanlage oder andere
Infrastrukturmaßnahmen teilen. Hierbei können horizontale und vertikale
Mehrfachnutzungen vorliegen. Dies stellt in der Regel dann, wenn diese Flächen
lärmkontingentiert sind, den Vollzug vor keine prinzipiellen Schwierigkeiten. Maßgeblich
ist die Einhaltung der Immissionskontingente, die sich aus dem Emissionskontingent und der
Flächengröße ergeben.
Wenn nun ein Betrieb einen Genehmigungsantrag stellt, ist von diesem nachzuweisen,
dass das Vorhaben und dessen vorgesehenen Nutzung nur so viel Lärm ausgeht, dass die
Emissionskontingente eingehalten werden. Dabei ist immer von der Bezugsfläche auszugehen,
die dem Betrieb oder den Betrieben zuzurechnen sind. Es ist dann nachzuweisen, dass die
Summe aller Lärmemissionen des Betriebes des Antragstellers zu keinen höheren
Beurteilungspegeln führt, als dies nach den Maßgaben der Lärmkontingente zulässig
wäre. Die Zulässigkeit der Lärmemissionen wird dann in der Regel in den
Genehmigungsbescheiden der Betriebe als Immissionsrichtwertanteil im Sinne der TA Lärm
beauflagt.
Die dezidierte Festsetzung von Emissionskontingenten, welche die Lärmemissionen
einzelner Betriebe und Anlagen exakt widerspiegelt, ist nicht möglich. Es kann nicht
metergenau oder zentimetergenau das Lärmverhalten eines Betriebes festgelegt werden. Dies
ist auch nicht Ziel der Lärmkontingentierung. Ziel ist der Schutz der umliegenden
Nutzungen vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG. Dieser erfolgt
dahingehend, dass Lärmkontingente festgesetzt werden, die die Lärmimmissionen in der
Nachbarschaft beschränken. Somit sind für die umliegenden Nutzungen die für die
Betriebe zulässigen Immissionen relevant. Dabei ist es nicht erheblich, ob ein Betrieb
laute Schallquellen hinter einer Lärmschutzwand aufweist, oder ob eine leise Schallquelle
auf einem Hallendach in die Umgebung strahlt, relevant ist alleinig was in der
Nachbarschaft an Lärm ankommt.
In der DIN 45691 wird definiert, wie aus dem Emissionskontingent das
Immissionskontingent berechnet wird. Der Beurteilungspegel, berechnet nach den Maßgaben
der TA Lärm, der zu beurteilenden Anlage darf dann nicht höher sein, als das jeweilige
Immissionskontingent. Ein Vergleich mit Schallleistungspegeln oder gar mit Zaunwerten kann
aus der DIN 45691 nicht abgeleitet werden. Es erfolgt somit eine Gliederung danach, wie
laut Betriebe und Anlagen in Bezug auf die Einwirkung in der Nachbarschaft
sein dürfen, ohne Festsetzungen außerhalb des Plangebietes zu treffen. Somit erfolgt
eine Gliederung des Bebauungsplanes, bzw. nach §1 Abs. 4 Nr. 2, 2. Satz dahingehend, wie
"laut" die Betriebe und Anlagen in Bezug auf die umliegenden schutzbedürftigen
Nutzungen sein dürfen.
Entscheidend für die Höhe der zulässigen Lärmimmissionen ist nur die Höhe des
Lärmkontingents und die Größe der Bezugsfläche. Wenn sich innerhalb der Bezugsfläche
mehrere Betriebe befinden (egal ob nebeneinander, übereinander, ineinander verwoben usw.)
so müssen diese sich das Lärmkontingent aufteilen. Wie dieses aufgeteilt wird, obliegt
dem Eigentümer, da es ja für die Bezugsfläche nur einen Eigentümer geben kann. Somit
wird auch das in dem Urteil angesprochene "Windhundrennen" hier nicht eintreten,
da die Verteilung der Geräuschkontingente vom Eigentümer vorgenommen wird.Dieses Prinzip
der Verteilung der sich aus einer Bebauungsplansatzung ergebenden Rechte und Pflichten
gilt exemplarisch ebenso für die Geschoßflächenzahl nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 der BauNVO.
Auch hier muss dann, wenn sich mehrere Betriebe (z.B. als Mieter) auf einem Grundstück
befinden und von diesen Betrieben Gebäude errichtet werden, der Eigentümer dafür
sorgen, dass die Geschoßflächenzahl in einem bestimmten Anteil von den verschiedenen
Betrieben in Anspruch genommen werden. Ansonsten würden die Betriebe, die als erste einen
Bauantrag stellen, diese Grenze ausschöpfen und Betriebe, die später einen Bauantrag
abgeben, bekämen keine Baugenehmigung. Um bei der Geräuschkontingentierung für eine
weitere Klarheit zu sorgen, sollte in der Festsetzung der Geräuschkontingente mit
festgesetzt werden, dass die Geräuschkontingente nur für eine Anlage oder einen Betrieb
herangezogen werden dürfen (allgemeine Grundsätze und Überlegungen zu
Geräuschkontingentierung und den erforderlichen Festsetzungen im Bebauungsplan können
der Literatur entnommen werden).
Aus fachtechnischer Sicht kann auch dann, wenn sich mehrere Betriebe ein
Geräuschkontingent teilen, § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO als Rechtsgrundlage für die
Lärmkontingentierung herangezogen werden. Dass Geräuschkontingente auf Basis von § 1
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zur Gliederung eine Gebietes hinsichtlich der
Lärm-Eigenschaft von Anlagen oder Betrieben festgesetzt werden dürfen, steht
außer Frage (BVerwG, vom 2.10.2013 - 4 BN 1013). Dabei erfolgt die Gliederung nicht
dahingehend, welche Geräusche von den Anlagen oder Betrieben genau emittiert werden,
sondern welche Geräusche von den Anlagen oder Betrieben maximal emittiert werden dürfen.
Wenn sich nun auf einer Fläche vier verschiedener Betriebe in vier Etagen ansiedeln, und
jeder Betrieb 25% des Geräuschkontingents in Anspruch nimmt so entspricht das den
Anforderungen der Festsetzung. Dieses Vorgehen ist somit auch im Sinne der Gliederung, da
die "Obergrenze" der Geräuschkontingente eingehalten wird.
Autoren: Johann Storr und Thomas Pehl, beide
Geschäftsführer der BEKON Lärmschutz & Akustik GmbH
DIN 45691
Geräuschkontingentierung, Dezember 2006. Aus der Literatur etwa: Porger,
Immissionsschutz in Bebauungsplänen Rechtsgrundlagen, Planungserfordernisse,
Festsetzungsmöglichkeit, 1995; Tegeder, Geräusch-Immissionsschutz in der Bauleitplanung,
UPR 1995, 210 ff.; Fischer/Tegeder, Geräuschkontingentierung DIN 45691, BauR 2007,
323 ff.; Sonntag, Festsetzung von immissionswirksamen flächenbezogenen
Schallleistungspegeln und von Immissionsanteilen in Bebauungsplänen, ZfL 42 (1995), 143
ff.; Steinebach, Stadtplanung Bauleitplanung und Lärmkontingentierung,
Lärmminderungspotenziale der städtebaulichen Nutzungsmischung, ZfL 48 (2001), 63 ff.;
Storr/Thoma, Flächenbezogene Schallleistungspegel und neue Festsetzungsmöglichkeit zur
Immissionswirksamkeit, Lärmbekämpfung 2004, 86 ff.; Storr, Emissionskontingentierung
nach DIN 45691 und deren Anwendung im Genehmigungsverfahren, Lärmbekämpfung 2010, 196
ff.; Prof. Dr. Andrea Versteyl, Johann Storr und Dr. Gernot Schiller, Die schalltechnische
Überplanung von bebauten Gewerbe- und Industriegebieten mit Emissionskontingenten,
Immissionen + Emissionen, 163 ff.
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